Haushaltsrede 2016

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Lommetz,
sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,
sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates,

laut dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hat unsere Gemeinde 1736 Euro Gesamtschulden je Einwohner. 1736 Euro pro Kopf – Vom Baby bis zum Rentner. Jeder Unternehmer und jeder Bezieher von Transferleistungen. Damit haben wir in Grefrath die dritthöchste Pro-Kopf-Verschuldung im Kreis Viersen. Darüber hinaus zeigt der RWI Projektbericht, dass Grefrath mit 37 Euro Investitionstätigkeit pro Kopf weit abgeschlagen auf dem letzten Platz im Kreis Viersen rangiert. Selbst die Kommune auf dem vorletzten Platz hat mit 68 Euro fast doppelt so viel Euro Investitionstätigkeit pro Kopf. Der Kreisdurchschnitt beträgt 118 Euro.

Dies macht aus unserer Sicht zweierlei deutlich – meine Damen und Herren:

Zum einen, warum es so wichtig war, eine Arbeitsgruppe Haushaltskonsolidierung ins Leben zu rufen und das strukturelle Defizit anzugehen. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, wie konstruktiv und offen die Gespräche der Arbeitsgruppe abgelaufen sind. Aber auch von der Tatsache, dass viele Konfliktfelder noch abzuarbeiten sind. Es ist in diesem Zusammenhang auch wichtig, der Kommu-nalaufsicht des Kreises ein klares Signal zu senden, dass die Vorberatungen im kleinen Kreis weitergehen werden.

Aus Grüner Sichtweise ist es jedoch ebenso wichtig, die Bürgerinnen und Bürger über die Ratssitzung hinaus mit einzubeziehen. Ich erinnere an dieser Stelle beispielhaft an unseren Grünen Antrag aus dem Jahr 2011 zur Einführung des Bürgerhaushalts, über den nie abgestimmt wurde. Die Bevölkerung hat nicht nur eine Holschuld, sondern Politik und Verwaltung haben aus unserer Sicht auch die Pflicht umfassend über den Haushalt, und die einhergehenden Konsequenzen, zu informieren. Ob dies letztendlich durch einen Bürgerhaushalt, im Rahmen einer Bürgerversammlung, oder durch die interaktive Präsentation des Haushaltes auf der Seite der Gemeinde geschieht, wäre letztlich nur eine Frage des Verfahrens.

Zum anderen machen die zu Beginn meiner Rede genannten Zahlen deutlich, warum es essentiell ist, sich sinnvolle Investition nicht zu versagen. Nehmen wir hier beispielhaft die Umrüstung der Straßenbeleuchtung. Das für diese, sich relativ schnell amortisierende Maßnahme auch noch zusätzlich Fördergelder beantragt wurden, ist aus unserer Sicht genau die richtige Verfahrensweise.

Dafür haben wir uns als Fraktion lange eingesetzt. An dieser Stelle möchten wir die Verwaltung ausdrücklich loben, die nun vermehrt die Möglichkeit nutzt, Fördermittel zu akquirieren. Auch wenn die Förderverfahren aufwendig und die Projektabwicklungen arbeitsintensiv sind, ist hier unserer Meinung nach noch viel Luft nach oben. Hier sehen wir unter anderem auch die Kreisverwaltung in der Pflicht, insbesondere bei den kleineren Kommunen im Kreis, Hilfestellungen zu leisten. Investitionsmöglichkeiten, die sich langfristig amortisieren, gibt es in der Gemeinde Grefrath viele. Noch nie war es wohl so einfach, wirtschaftliche und ökologische Zielsetzungen unter einen Hut zu bringen wie in der heutigen Zeit.

Bei manchen Investitionen ist jedoch das Stimmungsbild nicht immer eindeutig. Bei dem geplanten Umbau des Physikraums an der Sekundarschule hat es uns schon sehr verwundert, dass die Kommunalaufsicht hier die Frage der Wirtschaftlichkeit stellt. Als Sozialwissenschaftler hat mich dies sehr irritiert, da es bis heute kein einheitliches und allgemein akzeptiertes Konzept gibt, wie die Wissensproduktion und Bildungsinvestitionen in einer Gesellschaft gemessen werden können. Investitionen in Schulen und auch in Schulsozialarbeit sind kostspielig, aber umgekehrt wird nie die Frage beantwortet, was es uns als Gemeinde kosten würde, wenn wir diese Investitionen nicht tätigen.

Wenn die Kommunalaufsicht bei der Haushaltsgenehmigung eine enge Definition unserer kommunalen Pflichtaufgaben definiert und reglementierend in Aufgaben eingreift, welche die Mehrheit des Gemeinderates als dringend einstuft, liegt da-rin unserer Meinung einiges an Konfliktpotential. Denn einer Tatsache müssen wir uns allen auch bewusst sein, zum allerersten Mal in der Geschichte der Bun-desrepublik Deutschland existiert heute eine Elterngeneration, die mit großer Mehrheit der Überzeugung ist, dass ihre Kinder es einmal schwerer haben wer-den als sie selbst. Und ich als zweifacher Vater gehöre dazu. Es muss daher auch auf kommunaler Ebene deutlich gemacht werden – wir tun alles dafür, Kinder – egal welcher Herkunft, Religion oder aus welchem Milieu – eine Zukunftsperspek-tive zu bieten. Daher werden wir als Kommunalpolitiker uns auch irgendwann damit beschäftigen müssen, ob in diesem Zusammenhang unsere Angebote im Bereich der Schulsozialarbeit oder des offenen Ganztags ausreichen.

Aber dazu bedarf es einer Prioritätensetzung. Alles, was wir als Gemeinderat beschließen – jede Maßnahme verändert unsere Gemeinde. Und daher sollte unse-rer Meinung nach alles, was wir hier beschließen, in einem Gesamtzusammenhang stehen. Welche Ziele verfolgen wir als Gemeinde? Wie ist unsere Strategie? Wie ist unser Plan? Andere Kommunen, sowohl im Kreis Viersen als auch in der gleichen Größenordnung, sind schon den Weg der Leitbildentwicklung gegangen. Diese Kommunen haben sich einer Analyse unterzogen und dann Ziele formuliert.

Die Formulierung von Zielen ist eng verknüpft mit der Aufstellung von Kennzahlen. Ein leidiges Thema – bei dem unsere Fraktion manches mal das Gefühl hat, allein auf weiter Flur zu sein. Kennzahlen bieten aus unserer Sicht die wichtige Möglichkeit, frühzeitig Entwicklungen zu erkennen, positive Entwicklungen voranzutreiben oder bei Bedarf entgegenzusteuern. Es geht im Kern darum, die politischen Steuerungsmöglichkeiten zu erweitern. Sicher braucht diese Umstellung Zeit und sicher ist es arbeitsintensiv und verlangt auch einiges von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Verwaltung ab, aber irgendwann müssen wir uns auf diesen Weg begeben.

Die Erschließung neuer Gewerbegebiete ist eine wichtige Aufgabe, der der Doppelhaushalt Rechnung trägt. Im Sinne einer Generationengerechtigkeit ist dies wichtig, da wir dafür Sorge tragen, dass auch unsere Kinder und Enkelkinder auf Einnahmen durch die Gewerbesteuer zurückgreifen können und in den Genuss von Arbeits- und Ausbildungsstellen kommen. An dieser Stelle aber die Bitte an die Verwaltung, frühzeitig auch die Versorgung mit digitaler Infrastruktur an neu-en Gewerbefläche zu berücksichtigen.

Eine weitere heiß diskutierte Aufgabe ist es, die Verwaltung an einem Standort zusammenzuführen. Der Kämmerer fragte hierzu in seiner Haushaltsrede „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Meine Antwort darauf: 2013 hätten wir dies bereits tun können. Wie wir in den letzten Monaten auch von unabhängiger Stelle immer wieder hören dürfen, war die Idee zum Johnson-Controls-Gebäude gar nicht so schlecht. Jetzt gilt es mit der gleichen Sorgfalt und finanziellen Vernunft die Planungen der Verwaltung zum Rathaus zu begleiten. Dies werden wir als Grüne Fraktion tun.

Eine andere richtige und in der Vergangenheit immer wieder angemahnte Maßnahme ist die Entwicklung von Baugebieten. Insbesondere preiswerter Mietwohnraum für breite Teile der Bevölkerung. Damit sind alle Menschen gemeint, die angewiesen sind auf preiswerten und guten Wohnraum – auch die Menschen, die in unserer Gemeinde Schutz suchen. Was die Unterbringungs- und Versor-gungssituation der Geflüchteten in unserer Gemeinde betrifft, ist es sicher unstrittig, dass eine dezentrale Unterbringung der absolut richtige Ansatz auch im Sinne der Integration ist. Aus unserer Sicht ist die Flüchtlingssituation nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Die unmenschlichen Zustände an den Europäischen Außengrenzen will ich hier gar nicht erwähnen.
Unstrittig ist unserer Meinung nach aber auch, dass wir als Gemeinde in Bezug auf die Flüchtlingszuweisungen – wenn diese denn wieder einsetzen – weg kommen müssen von einer andauernden Krisenbewältigung, hin zu Regelstrukturen und einer menschenwürdigen Unterbringung. Die menschenwürdige Unterbringung hat im Zweifel für uns Priorität. Dabei ist es uns völlig egal ob es sich dabei um Menschen handelt, die eine Bleibeperspektive haben, oder um solche, die leider nicht bei uns bleiben können.

Im Zusammenhang mit der Aufnahme und Betreuung der Schutzsuchenden in unserer Gemeinde kann in dieser Haushaltsrede nicht unterschlagen werden, wie hart sich hier die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung und insbesondere die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer eingesetzt haben. Herzlichen Dank dafür!

In diesem Kontext ist es jedoch auch unerlässlich, von einer Gefahr zu sprechen, auf die wir Grüne im Gemeinderat Grefrath schon lange hinweisen. Die Gefahr des Rassismus. Auch wenn unsere Demokratie stark ist, machen sich an ihren Rändern Veränderungen bemerkbar. Nie habe ich persönlich eine Zeit erlebt, in der menschenfeindliche Aussagen, insbesondere gegen Schutzsuchende, so öffentlich gemacht wurden wie heute. Nun kann hier gesagt werden, das ist doch alles gar nicht so dramatisch. Da versucht die kleine Grefrather Fraktion der Grünen wieder die große politische Welt zu verändern. Nein, dem ist nicht so. Ich werde dies an drei Beispiele deutlich machen, die nur die Spitze des Eisbergs sind.

Alles Beispiele, die so in den sozialen Medien geäußert wurden:

Beispiel 1: „Die meisten sind doch viel zu feige, um sich ehrlich zu äußern. Tuscheln nur hinter vorgehaltener Hand. Man will ja nicht als Rassist da stehen. Die Deutschen, einst die intelligentesten Menschen auf der Welt, denn fast alles wur-de von denen erfunden, machen sich zum Affen und Duckmäuser, wegen dem Österreicher damals“

Beispiel 2: „Habe erfahren, heut kommen nochmal ca. 350 Kameltreiber nach Grefrath. Wird wohl bald muslimisch sein, euer kleines Grefrath“

Beispiel 3: „Klar sind das Flüchtlinge, aber die meisten haben ihre Familie dabei und sie wollen kein Essen oder Klamotten. Ist ja nicht genug. Sie wollen Geld. Haben in ihrem Leben noch nicht gearbeitet und wollen hier Rechte um Harz 4 zu bekommen“.

Bei diesen Beispielen handelt es sich nur um die Harmlosesten. Aus Respekt vor dem Gemeinderat habe ich mir nur diese herausgesucht. Es wird aber hoffentlich deutlich, wie wichtig es ist, dass wir alle uns dem rechtsradikalen Gedankengut entgegenstellen. Egal, ob es uns im Internet begegnet, auf der Straße oder im Gewand einer angeblich alternativen Partei.
Um dies klar und deutlich nach außen hin zu kommunizieren: Das wir gezwungen sind Konsolidierungsmaßnahmen durchzuführen, hat nichts, aber auch rein gar nichts, mit der Versorgung und Unterbringung von Schutzsuchenden in der Gemeinde Grefrath zu tun.

Meine Damen und Herren,
wir alle dürfen es nicht mehr zulassen, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger von der Demokratie gelangweilt und abgestoßen fühlen. Wir alle müssen für Demokratie, Politik und Mitbestimmung Begeisterung wecken und Zukunftsperspektiven für die Menschen in der Gemeinde Grefrath eröffnen. Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten.

Ich möchte mich nun noch bei Ihnen allen und allen Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit bedanken. Insbesondere bei Herrn Rive und Herrn Ternes, die all unsere Fragen umfassend beantwortet haben. Wir werden dem Doppelhaushalt 2016/2017 zustimmen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Rede zum Doppelhaushalt 2016/2017

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